Dank der gynäkologischen Krebsvorsorge durch die Kolposkopie in den Jahren 1940 – 1960 und die Zytologie, die ab 1960 eine rasche Verbreitung gefunden hat, ist das Zervixkarzinom zum seltensten Genitalkarzinom geworden.
Sie hat zum Ziel bösartige Veränderungen zu erkennen bevor sie invasiv geworden sind und mit einem wenig belastenden Eingriff noch mit Sicherheit geheilt werden können. Was bisher getan wurde war ein Erfolg. Trotzdem wissen wir, dass die Vorsorge keinen absoluten Schutz bietet. Es kommt immer wieder vor, dass nach unauffälligem Befund in einer folgenden Untersuchung eine maligne Läsion diagnostiziert wird.
Es wird angenommen, dass zirka zwei Drittel aller falsch negativen Befunde auf eine ungenügende Abstrichentnahme durch den Arzt zurückzuführen sind und nur ein Drittel auf Screening- bzw. Interpretationsfehler im Labor
Nach unserer Erfahrung sind Zellarmut, Entzündung, Zelldegeneration, Maskierung diagnostischer Zellen durch Überlagerung und das Fehlen von Endozervixzellen im Abstrich die häufigsten Gründe für nicht optimales Material.
Der Zytologe kann die Diagnose auf Malignität bzw. deren Ausschluss nur an aussagekräftigem Material stellen. Dieses muss enthalten:
genügend |
gut erhaltene |
gut sichtbare Zellen. |
Ferner muss die Gewähr bestehen, dass das gesamte Gebiet in dem sich pathologische Veränderungen entwickeln können abgestrichen wurde. Im Präparat müssen vorhanden sein:
Plattenepithelzellen von der Ektozervix |
Zylinderepithelzellen aus der Endozervix bzw.- der Ektopie und/oder |
Zellen aus der Umwandlungszone. |
Eine einzelne atypisch erscheinende Zelle reicht nicht aus zur Malignitätsdiagnose und die Diagnose auf Malignität bzw. deren Ausschluss darf nur an gut erhaltenen und gut erkennbaren Zellen mit intaktem Zytoplasma gestellt werden.
Die Zahl diagnostischer Zellen im Abstrich ist abhängig von
der Lokalisation und |
der flächenhaften Ausdehnung der Läsion, |
vom Epitheltyp, bzw. Zustand des Epithels, ganz besonders aber von |
der Abstrichtechnik und dem dazu verwendeten Instrumentarium. |
Lokalisation der Läsion (Abbildung 1):
Direktabstrich: Die Zahl diagnostischer Zellen ist am grössten, wenn direkt von der Oberfläche der Läsion abgestrichen wird. |
Sie nimmt sprunghaft ab sobald eine Direktabnahme nicht mehr gewährleistet ist, da in diesem Fall nur spontan abgeschilferte Zellen gewonnen werden, die ihren Weg vom Ort der Läsion bis zum Ort der Entnahme gefunden haben. Ihre Zahl wird um so kleiner je weiter die Läsion vom Ort der Entnahme entfernt ist. |
Je länger der Weg, den eine Zelle vom Ort der Läsion bis zum Ort der Abnahme zurückgelegt hat, d.h. je länger sie aus dem Gewebsverband losgelöst in einem ihr fremden Milieu gelegen hat, um so stärker werden sekundär degenerative Veränderungen sein. |
Flächenhafte Ausdehnung der Läsion (Abbildung 2):
Die Zahl diagnostischer Zellen im Abstrich nimmt zu mit der flächenhaften Ausdehnung der Läsion, die in direkter Beziehung zu ihrem Schweregrad steht. |
Veränderungen auf der Portiooberfläche sind dem Auge und einer Abstrichentnahme direkt zugänglich (Plattenepithelbereich 1 Umwandlungszone 1 Ektopie). Es kann problemlos reichlich Zellmaterial gewonnen werden.
Die Entnahme aus dem Zervikalkanal ist jedoch problematischer Aus intrazervikal lokalisierten Läsionen ist um so weniger Material zu erwarten, je höher im Zervikalkanal die Veränderung liegt und bei der Entnahme nicht erreicht werden kann.
Zellen aus Veränderungen des Endometrium sind im Routineabstrich nur unregelmässig anzutreffen.
Zellen aus Veränderungen der Tuben oder gar der Ovarien kommen nur sehr selten im Abstrich vor. Dementsprechend sind die Resultate in der zytologischen Frühdiagnostik (Abbildung 3).
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Weg von der Läsion bis Ort der Entnahme |
Ovar |
Tuben |
Cavum |
Zervikalkanal |
Portio |
Vulva |
Abschilferungstendenz |
+/- |
+/- |
+/- |
+/- |
+++ |
+/- |
Zellzahl im Abstrich |
0 |
0 |
+/- |
++ |
+++ |
+/- |
Zu erwartendes Resultat in Zytologie |
0 |
0 |
+/- |
++ |
+++ |
+/- |
Diagnostische Möglichkeiten in Routine |
||||||
Anamnese (Blutung) |
0 |
0 |
++ |
0 |
0 |
0 |
Inspektion |
0 |
0 |
0 |
+/- |
+ |
++ |
Speculumuntersuchung |
0 |
0 |
0 |
+/- |
0 |
+/- |
Kolposkopie |
0 |
0 |
0 |
+/- |
++ |
++ |
Zytologie |
0 |
0 |
+/- |
++ |
+++ |
+/- |
Bimanuelle Untersuchung |
+ |
+ |
0 |
0 |
0 |
0 |
Weitere Massnahmen zur Abklärung |
||||||
Biopsie -*) Strichcurettage |
0 |
0 |
0 |
++*) |
+++ |
+++ |
Konisation |
0 |
0 |
0 |
+++ |
+++ |
0 |
Curettage / Aspiration |
0 |
0 |
+++ |
++*) |
0 |
0 |
Ultraschall |
++ |
++ |
++ |
0 |
0 |
0 |
Lapraskopie / Laparatomie |
+++ |
+++ |
0 |
0 |
0 |
0 |
Epitheltyp und Zustand des Epithels (Abbildung 4A - C)
Das Plattenepithel kleidet die Vaginalwände und die Portiooberfläche aus und hat eine gute und konstante Desquamationstendenz. Dementsprechend finden sich im Abstrich stets vorwiegend und reichlichst Plattenepithelzellen - hunderttausende an der Zahl.
Unter Oestrogenwirkung (Zyklusmitte) ist ihre Zahl geringer. Sie liegen einzeln und sind flach ausgebreitet. |
Unter Gestagenwirkung (fortgeschrittene Sekretionsphase, Schwangerschaft) werden die Abstriche zellreicher Die Zellen sind gefaltet und liegen dicht aneinander |
Bei fehlender Sexualhormonwirkung (Atrophie) sind die Abstriche oft zellarm. |
Im Gegensatz dazu schilfert das endozervikale Zylinderepithel nur wenig Zellen ab. Endozervixzellen liegen oft im Zervixschleim und sind wegen ihrer geringen Widerstandskraft gegenüber äusseren Einflüssen degenerativ verändert. Sie zeigen ein vielfältiges Bild. |
Abb. 4: Zellzahl im Abstrich: A) in später Proliferationsphase, B) in fortgeschrittener Sekretionsphase oder Schwangerschaft, C) bei Atrophie, D) Zylinderepithel der Endozervix.
Normales Epithel hat eine gute Zellkohäsion- Es ist elastisch und verformt sich, wenn mit einem festen Gegenstand darüber gestrichen wird. Die Menge spontan abgeschilferter Zellen variiert je nach hormonalem Status. Bei den Zellen, die bei Direktabnahme gewonnen werden handelt es sich um bereits abgeschilferte Zellen, oder um Zellen, die im Begriff sind sich aus dem Epithelverband zu lösen (Abbildung 5). |
In krankhaft verändertem Epithel ist die Zellkohäsion vermindert. Es schilfert wesentlich mehr Zellen ab als gesundes Epithel. Wird mit einem festen Gegenstand darüber gestrichen, so löst er, je nach Schwere der Veränderung, mehr oder weniger reichlich Zellen aus dem Epithelverband, bei invasivem Karzinom bricht er sogar ins Gewebe ein (Chrobakscher Sondenversuch). Dies ist der Grund, weshalb aus relativ kleinen neoplastisch veränderten Bezirken bei Direktentnahme unverhältnismässig mehr Zellen gewonnen werden können als aus dem umgebenden gesunden Gewebe (Abbildung 6 und 7B). |
Eine Verminderung der Zellkohäsion kommt nicht nur bei neoplastischen Veränderungen vor. Auch bei einer Entzündung ist die Zellzahl im Abstrich stark erhöht. Zusätzlich finden sich im Abstrich reichlich Granulozyten und als Folge vermehrter Lädierbarkeit des Epithels häufig auch Erythrozyten (Abbildung 7A). |
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Abb. 7. Zellzahl im Abstrich bei: A) Entzündung, B) maligner Neoplasie.
Die relative Zahl pathologischer Zellen (Abbildung 8) ist am grössten, wenn in der späten Proliferationsphase oder in Abwesenheit einer Entzündung abgestrichen wird. Sie wird mit zunehmender Gestagenwirkung geringer (fortgeschrittene zweite Zyklusphase, Schwangerschaft). Der günstigste Zeitpunkt für die Abstrichentnahme ist die Zeit des Eisprungs (darauf achten bei Abstrichwiederholungen).
Abb. 8: Relative Zahl diagnostischer Zellen im Abstrich bei Abstrichentnahme A) in fortgeschrittener Proliferationsphase, B) in fortgeschrittener Sekretionsphase, C) bei Entzündung bei gleich grossem und gleichartigem Bezirk neoplastischer Zellen. |